BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02. Juli 2001 – 1 BvR 2049/00, Juris Rn. 11:
Die fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist streng genommen zwar keine Sanktion für Verhalten in der Vergangenheit, sondern nur die Möglichkeit, sich von einem Dauerschuldverhältnis zu lösen, an dem man für die Zukunft zumutbar nicht festhalten kann.
Doch stellt sich die Kündigung für den betroffenen Arbeitnehmer als zivilrechtlicher Nachteil dar. Die Beachtung des Gesichtspunkts, dass der Beschwerdeführer mit seinen Aussagen bei der Staatsanwaltschaft und der Übergabe von Unterlagen von der Rechtsordnung aufgestellte Pflichten erfüllt hat, war von Verfassungs wegen gefordert (vgl. BVerfGE 74, 257 <261>). Gerade die Zeugenpflicht ist eine allgemeine Staatsbürgerpflicht (vgl. BVerfGE 76, 363 <383>). Ferner kann die Staatsanwaltschaft die Herausgabe bestimmter Gegenstände verlangen (vgl. §§ 94 ff. StPO). Mit diesen Pflichten im Rechtsstaat ist es nicht vereinbar, wenn derjenige, der diese ihm gesetzlich auferlegten Pflichten erfüllt und nicht wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben macht, dadurch zivilrechtliche Nachteile erleidet. Nur so kann die verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, eine funktionsfähige Strafrechtspflege im Interesse der Allgemeinheit zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 46, 214 <222>), erfüllt werden.
In der Randnummer 20 heißt es dann:
Aber selbst bei dem vom Landesarbeitsgericht zu Grunde gelegten Sachverhalt, wonach der Beschwerdeführer „freiwillig“ zur Staatsanwaltschaft gegangen sei, dort Aussagen gemacht und aufgrund eigenen Antriebs Unterlagen übergeben habe, hätte es diesem verfassungsrechtlichen Aspekt Beachtung schenken müssen. Auch die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte im Strafverfahren kann – soweit nicht wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben gemacht werden – im Regelfall aus rechtsstaatlichen Gründen nicht dazu führen, daraus einen Grund für eine fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses abzuleiten. Das Landesarbeitsgericht spricht pauschal von „haltlosen Erklärungen“ des Beschwerdeführers, ohne diese näher zu benennen und die auch aufgrund der Beweisaufnahme nicht nahe liegend sind. Ein derart substanzloser Vorwurf kann nicht als Grund für zivilrechtliche Nachteile dienen, die im Hinblick auf bestehende Pflichten und Rechte des Bürgers im Rahmen der Strafverfolgung grundsätzlich unzulässig sind (vgl. BVerfGE 74, 257 <261 ff.>). Eine zivilrechtliche Entscheidung, die dieses verkennt oder missachtet, verletzt den betroffenen Bürger in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip.
Diese Grundsätze gelten aber nicht uneingeschränkt. Das zeigt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 03. Juli 2003 – 2 AZR 235/02 –, BAGE 107, 36-49 schon im Leitsatz:
Eine zur Kündigung berechtigende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung eines Arbeitnehmers liegt nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer in einer Strafanzeige gegen den Arbeitgeber oder einen seiner Repräsentanten wissentlich oder leichtfertig falsche Angaben gemacht hat. Eine kündigungsrelevante erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten kann sich im Zusammenhang mit der Erstattung einer Strafanzeige im Einzelfall auch aus anderen Umständen ergeben.